Nach der Liquidierung des Attentäters von Toulous war es nur eine Frage der Zeit, bis Deutschlands Innenpolitiker wieder das Hohelied auf die segensreiche Vorratsdatenspeicherung singen. Das vorgebliche Allheilmittel moderner Ermittlungsmethoden soll auch bei der Identifizierung von Mohamed Merah eine große Rolle gespielt haben. Anhand der IP-Adresse des PCs seiner Mutter soll man ihm auf die Schliche gekommen sein, weil er sich beim ersten Opfer als Kaufinteressent für einen Motorroller vorgestellt hatte.
Das Spiel wird langsam zum immer wiederkehrenden Ritual. Die Vorratsdatenspeicherung, die in Deutschland aus verfassungsrechtlichen Gründen noch nicht umgesetzt ist, wird nach jeder medienwirksamen Großuntat gefordert. Dabei wird vergessen, dass sich dieses Instrument gegen die wirklich gefährlichen Straftäter mit der Zeit abnutzen wird. Die Taliban in Afghanistan geben dabei die Marschrichtung vor. Sie setzen auf Boten aus Fleisch und Blut oder zerstören gleich Mobilfunkmasten oder drohen den Telekommunikationsunternehmen, so dass diese freiwillig ihre Anlagen abschalten. Auch Osama Bin Laden wurde vor Allem durch die Überwachung von Boten und Mitläufern entdeckt, und nicht durch die Überwachung von Telekommunikation. Auch die beiden Großen Terror-Fälle in den letzten Jahren in Deutschland, die versuchten Bombenanschläge zur WM 2006 und die Sauerland-Gruppe (2007), wurden aufgedeckt, lange bevor die Vorratsdatenspeicherung am 1. Januar 2008 erstmals eingeführt wurde. Nichtsdestotrotz haben Befürworter immer wieder versucht, diese beiden öffentlichkeitswirksamen Fälle für ihr Anliegen zu instrumentalisieren, genau wie es nun wieder bei den Attentaten von Toulouse der Fall ist.
Nicht umsonst setzt der internationale Terrorismus in den westlichen Ländern immer mehr auf Einzeltäter wie Arid U., den Frankfurter Flughafenattentäter. Sie sind schwer zu finden, zu überwachen und tauchen wie aus dem Nichts auf um zu morden. Mohamed Merah, der Attentäter von Toulouse, war den Geheimdiensten schon vorher aufgefallen. Ihre Untätigkeit wird damit begründet, dass die Tat nicht absehbar gewesen sei – was ja auch stimmt. Denn das ist das Ziel der Einzeltäter. Die nächste Generation wird nicht wieder den Fehler begehen, Spuren im Netz zu hinterlassen. Diese Menschen haben Zeit, sie brauchen keine Kommunikation in Lichtgeschwindigkeit, um ihre Taten vorzubereiten.
Die Einführung der Vorratsdatenspeicherung wird zu einem Wettrüsten zwischen Sicherheitsbehörden und Terroristen führen, unter der am Ende die bürgerlichen Freiheitsrechte leiden werden, ohne das man die todessüchtigen Extremisten aufhalten wird. Die Frage mag abgedroschen wirken, aber was wird die nächste Stufe sein, nachdem sich die Vorratsdatenspeicherung abgenutzt hat? Die totale Überwachung und Verfolgung aller Handlungen mittels der kleinen Wanze namens Mobiltelefon, die wir ständig mit uns herumtragen – und die heute schon technisch möglich ist? Mit jeder Verschärfung werden die bisherigen Mittel heruntergespielt und rutschen im Maß der Verhältnismäßigkeit eine Stufe tiefer. Dabei bleiben gerade das Gebot der Verhältnismäßigkeit und die Unschuldsvermutung auf der Strecke.
Wir leben schon jetzt in einem paternalistischen Staat, der verschiedenste private Lebensbereiche vom Rauchen über das Essen bis hin zur Fortbewegung regelementieren möchte. Wir sollten diesem Staat nicht noch mehr Möglichkeiten geben, sich in unser Leben einzumischen, auch wenn es vorgeblich dem hehren Ziel der Lebensrettung dient..